Keine Körbe 2

In der letzten Ausgabe haben wir eine durchdachte und präventive Vorgehensweise zum verbalen Flirtaufriss kennen gelernt, die uns in die erfreuliche Lage versetzt, beim Ansprechen eines Unbekannten keinen Korb mehr zu kassieren. Dies ist insofern eine echte Bereicherung für unser Seelenleben, weil die Allermeisten Menschen ziemlich leicht ins Schlingern kommen, wenn sie abgelehnt werden. Meistens gibt es bei einem Korb einen Stich in die Magengrube, und so ein Erlebnis kann uns den ganzen Tag oder Abend auf der Piste verderben. Dummerweise bremsen Absagen ferner unseren Optimismus für zukünftige Versuche. Aber, wie wir jetzt wissen: es gibt Erfolg versprechende Wege des Anbaggerns. Die Methode der Alternativfrage – im letzten Monat behandelt – zielt darauf ab, die Verneinung unseres Kontaktwunsches sofort im ersten Satz leicht zu ermöglichen. Ich kann nämlich nie mit 100%iger Sicherheit sagen, ob mein Gegenüber wirklich mit mir flirten will.

»Hallo, darf ich dir einen Milchkaffee ausgeben oder bist du gerade anderweitig beschäftigt?« – das wäre z.B. ein charakteristischer Satz. Konstruieren wir also immer Aussagen mit einem »Oder«. Auf diesem Weg kann mein Gegenüber leicht ausweichen, sollte er oder sie kein Interesse an einem Smalltalk haben. Dafür kann es verschiedene Gründe geben; diese müssen absolut nichts mit unserer Person zu tun haben, sondern können ausschließlich das Leben unseres Gegenübers betreffen. Vielleicht hatte mein Gesprächspartner in spe einen stressigen Arbeitstag oder ist sauer wegen eines Strafzettels einer Politesse usw. Machen wir uns also bewusst, dass wir selten Ursache von Abfuhren sind. Darüber hinaus müssen wir nämlich stets auf Aktivität auf der Piste bedacht sein, d.h. immer wieder den zwischenmenschlichen Kontakt suchen, und dies nach dem Prinzip: try and error (Versuch und Irrtum). Immer und immer wieder. Nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit muss nämlich irgendwann jemand anbeißen. Folgendes Vorgehen ist eine andere präventive Angelegenheit in meinem Sinn, nämlich die Methode des nicht-zielgerichteten Kommentars zur gegenwärtigen Situation. Diese Handhabe ist weitaus indirekter und noch ungefährlicher – ich meine das Risiko einer Abfuhr – als die erste (im letzten Monat). Das Grundprinzip dieser Vorgehensweise lautet: Ich kann in einer Situation einfach einen ungerichteten Kommentar aussprechen. So wird ein verbaler Köder ausgeworfen. Der oder die andere kann anbeißen oder es sein lassen. Ganz unspektakulär und präventiv.

Beispiel: Stellen wir uns vor, wir stehen an einer Haltestelle, der Bus hat mal wieder Verspätung. Neben uns steht wieder ein anziehendes Gegenüber. Man könnte meinen: »Mensch, jetzt muss ich ins Büro (oder sonst wohin), ich komme zu spät!« Ähnliche Sachlage: will dieser Mensch flirten, gibt’s eine Frage oder Bemerkung (= Reaktion) zu Ihrer Information (= Reiz), wenn nicht, dann eben nicht. Indirekte Gesprächsaufforderung. Helfen wir so unserem Gegenüber in ein lockeres Gespräch einzusteigen, d.h. Smalltalk. Ein Kommentar kann in jeder x-beliebigen Situation erdacht und ausgesprochen werden. Kommt immer auf die Sachlage an. Das erleichtert auch dem anderen den Gesprächseinstieg. Ist man gewillt, mit uns flirten, dann bemüht er oder sie sich auch um einen engeren Kontakt. Angeknüpft werden kann schlicht und einfach an unsere Informationen, die in der Äußerung enthalten sind. Einige Beispiele für verschiedene Sachlagen: Marktplatz: »Also, die Tomaten (oder was auch immer) werden aber auch immer teurer!« – Schwarzes Brett an der Uni: »Hoppla, ich habe ja schon am 15. Prüfung!« – Kasse im Supermarkt: »Tja, so sieht ein Einkauf für einen Single-Haushalt aus!« – Bibliothek: »Bei dem Berg Bücher brauche ich einen Einkaufswagen! Warum hat der Bukowski auch so viel geschrieben?« Sie sehen: Es geht wirklich nur darum, Reize auszusenden, auf die reagiert werden kann. Eine positive Reaktion wäre eine Gegenfrage verbunden mit nonverbalen zusagenden geschlechtsspezifischen Signalen, z.B. hair-flip (mit einer Hand durch die Haare streichen) oder Lächeln. Der Inhalt der Bemerkung ist nicht relevant, sollte aber im gesellschaftlichen Rahmen bleiben. Wir umgehen mit der Methode des ungerichteten Kommentars zu 100% einen möglichen Korb.